Lange Zeiten verharzt?
Reparaturtipps zu Prontor-Verschlüssen von Nichtprofi Martin Kohler für Nichtprofis
Als Sammler deutscher Nachkriegskameras hat man wohl, gleich auf welche Marke man sich spezialisierte, immer das Gefühl, dass es bei den eigenen Kameras besonders viel verharzte Verschlüsse gibt. So ging es auch mir auch als AkA-Sammler. Zu Beginn meiner Sammeltätigkeit brachte ich meine stolzen Neuerwerbungen alle zu einem Fotomechaniker, der die Kameras rundum überholte. Der Verschluss surrte wieder, dass es ein Hörgenuss war, und sogar die Frontbleche und verkratzten Verkleidungen wurden ausgewechselt. Auch wenn die Preise moderat waren, summierten sich diese Reparaturleistungen doch. Vor allem bei Dubletten sparte ich sie mir mit der Zeit. Da kam dann der Schwabe zum Vorschein.
Irgendwann fand ich dann einen Sammler, der zwar Fotomechanik nicht gelernt hatte, aber doch bereit war, mir seine Reparaturerfahrungen in schriftlicher Form zu überlassen. So nahm ich mir Schrottis vor, um eigene Erfahrungen zu sammeln. Mit der Zeit (und nach ein paar verkorksten Reparaturen) kommt man der Technik auf die Spur. Die AkA-Kameras außer die AkArex II besitzen alle einen Verschluss von Gauthier. Da gerade die verharzten Zeiten bei den frühen Verschlusstypen Prontor S und SVS (Prontor II mit Einschränkungen) recht einfach zu beheben sind möchte ich ein paar Tipps weitergeben.
Grundsätzlich arbeitet man sich von vorne an den Verschluss heran, was bei den meisten Kameratypen den Vorteil hat, dass man den Verschluss gar nicht ausbauen muss.
AkArette und AkArelle und andere Wechseloptikkameras
Bei der AkArette und AkArelle ist das besonders einfach. Bei der Arette W und BW sowie Kameras anderer Hersteller muß man teilweise zuerst die Frontverkleidung entfernen. Es ist nicht immer einfach, die richtigen Schrauben zu finden. Sie können durch den Kamerakörper hindurchgehen oder auch unter der Frontbelederung versteckt sein. Unter Umständen muss man auch die komplette obere Abdeckung und die Bodenplatte wegschrauben.
Zurück zur AkArette und AkArelle. Hier sind es die zwei Schrauben des Zeiteneinstellrings und dann die drei bzw. vier Schrauben vom Verschlussvorderteil, die man löst und dann das entsprechende Teil abhebt. Die Schrauben und Teile bitte in einen vorher bereitgestellten Behälter geben. Gerade kleine Schräubchen gehen schnell verloren. Den Ring mit den verschiedenen Steuerkurven (Abb. 1) hebt man ebenfalls ab, und schon liegt der Verschluss offen. Eine bestimmte Position muss man nicht kennzeichnen.
Abbildung 1
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Beim Wiedereinbau einfach die Aussparung mit den starken Wellenlinien am Langzeiten-Hemmwerk ansetzen. Hierzu auslösen, damit der Nippel außen steht. Nun kann man sich an Abb. 2 orientieren. Links unten sieht man das Vorlaufwerk und rechts unten das Hemmwerk für die langen Zeiten.
Richten des Metallsteges zwischen Hemm- und Vorlaufwerk
Zwischen dem Vorlaufwerk und dem Hemmwerk befindet sich ein kleiner Metallsteg, welcher sich beim Auslösen des Verschlusses in das Vorlaufwerk hinein bewegen muss. Wenn bei einem Verschluss gar nichts mehr geht, ist dieser Steg oft verbogen oder verklemmt. Den Steg mit einer kleinen Zange wieder so geradebiegen, dass sich das Vorlaufwerk spannen lässt, ohne ihn wieder zu verbiegen.
Richten des Übertragungshebel zum Verschlussdrehhebel
Manchmal wurde mit Gewalt versucht, den Verschluss zu spannen. Dann kann es sein, dass der Übertragungshebel zum Verschlussdrehhebel, mit welchem der Verschluss gespannt wird, verbogen ist. Den Übertragungshebel wieder geradebiegen (damit er aufrecht steht) und so nach außen oder innen ausrichten, dass er beim Spannen des Verschlusses nicht abrutscht, danach aber wieder zurückspringt. Nie den Verschlussdrehhebel ausbauen! Ein Wiedereinbau ist fast nicht möglich.
Korrigieren der langen Zeiten
Oft sind es nur die ganz langen Zeiten (1 Sek. - 1/10 Sek.), welche hängen. Ursache ist das Verhaken des Zackenrädchens am unteren Ende des Hemmwerks. Der Hemmgreifer ragt dann zu weit in die Zähne hinein. Hierzu mit einem Schraubenziehen in den Spalt, der den Greiferabstand regelt, hineinfahren und etwas auseinander drücken. Oft ist dies das einzige Problem und die „Operation“ kann auch bei eingebautem Hemmwerk durchgeführt werden. Die Kamera spannen und auslösen. Nun müsste die Sekunde schnurren. Wenn nicht, dann noch einmal nachregulieren. Durch weiteres auseinander Drücken oder wieder zusammen Biegen lässt sich der Ablauf der langen Zeiten recht genau bestimmen.
Anschließend sollte man noch schauen, ob der Steuerungshebel für den Hemmgreifer verbogen ist und evtl. ausgerichtet werden muss. Dieser bewegt sich bei den ganz langen Zeiten nach hinten, wodurch der Hemmgreifer erst in das Zahnrädchen greifen kann.
Hemmwerk reinigen
Wenn alle langen Zeiten nicht laufen, ist das meist Hemmwerk wirklich verharzt. Es muss ausgebaut werden, was durch das Lösen der Schrauben 1 und 2 rechts vom Hemmwerk geschieht (Abb. 2, rechts). Das ausgebaute Hemmwerk (Abb. 3) dann ca. eine 1/2 Stunde in Spiritus einlegen und schon müsste es wieder besser laufen.
Einschränkend muss ich anfügen, dass bei den sehr frühen Prontor II-Verschlüssen nach dem I. Weltkrieg das Hemmwerk von hinten angeschraubt ist. Zum Ausbauen des Hemmwerks muss man wirklich den ganzen Verschluss zerlegen.
Instandsetzung des Vorlaufwerks
Wenn das Vorlaufwerk gespannt wird, hängt es sich mit einem Hacken oben bei dem Auslösemechanismus ein. Zum Ausbauen muss es evtl. zuerst mit einem kleinen Schraubenzieher den Steg beim Auslösemechanismus, wo das Vorlaufwerk eingehackt ist, nach unten drücken. Dann mit einer spitzen Pinzette (Rolf Häfliger empfiehlt dafür eine feine Häkelnadel) die Feder lösen, welche innen am Vorlaufwerk entlangläuft. Das Vorlaufwerk so weit spannen, dass die Ausbuchtung (Abb. 3) nach oben steht, und nun kann es einfach nach oben herausgenommen werden. In Spiritus reinigen wie oben beschrieben. Beim Einbau den kleinen Sicherungswinkel (er verhindert, dass bei Einstellung auf „B“ der Selbstauslöser gespannt wird) nicht vergessen, der oben auf dem Vorlaufwerk war!
Verschlusslammellen
Sollten Verschlusslammellen verklebt sein (z.B. weil ein Schlaumeier versucht hat, den Verschluss mit Öl oder Caramba zu „schmieren“), muss wirklich der ganze Verschluss ausgebaut und die Verschlusslamellen gereinigt werden. Das ist eine größere Reparatur, auf die ich hier nicht eingehen möchte.
Festoptikkameras
Nun noch zu den Festoptikkameras. Alle frühen Festoptikkameras von AkA hatten einen Prontor SVS-Verschluss. Für die späteren Kameras mit Pronto- oder Vario-Verschluss gilt die Beschreibung nur eingeschränkt, da diese zwar das Hemmwerk für die langen Zeiten eingebaut haben, aber der Mechanismus mit dem Hemmgreifer, welcher in das Zahnrad hineinragt, weggelassen wurde.
Hier ebenfalls von vorne an den Verschluss herangehen. Bei Kameras mit gekoppeltem Entfernungsmesser (z.B. Arette IC oder ID) zuerst die Frontlinse abschrauben. Bei den anderen Kameras (z.B. Arette IB) die Entfernung auf unendlich stellen. Dann die Madenschrauben im Abdeckring der Vorderlinse lösen und diesen abheben.
Bei diesen Apparaten wird durch das Drehen des vorderen Objektivglieds in einem Feingewinde die Entfernung bestimmt. Um später beim Zusammenbau wieder die gleiche Einstellung zu finden, empfehle ich folgende Vorgehensweise: Das vordere Linsenglied bis zum Anschlag in den Verschluss hineinschrauben und sich genau merken, wie viele Drehungen hierbei nötig sind (meist nur eine 1/2 Umdrehung). Nun dieses vordere Objektivglied komplett herausschrauben. Da das Gewinde mehrere Eingänge hat und man den gleichen beim Zusammenbauen wohl kaum erwischt, stimmen mit Bleistift angebrachte Markierungen beim Zusammenbau nur noch selten.
Die Verschlussabdeckung wird von einem dünnen Befestigungsring mit Buchten gehalten (Abb. 4).
Die Schraube neben diesem Ring ist so zu drehen, dass die abgeflachte Seite zum Ring zeigt. Nun kann der Ring mit einer Zange, die sich weit öffnen lässt oder mit einem Schraubenzieher geöffnet werden. Da wir kein Spezialwerkzeug haben, kann das zwar Kratzspuren hinterlassen, die aber später nicht mehr sichtbar sind. Jetzt lässt sich das komplette Vorderteil des Verschlusses abheben, und wir können wieder ähnlich wie bei den Wechseloptikkameras arbeiten (Abb. 5).
Beim Zusammenbau wird der Zeiteneinstellring von der Seite her aufgesetzt, an welcher sich der Federhebel des Zeitenrasters befindet. Beim Prontor SVS ist das unten, bei Pronto- oder Vario-Verschlüssen oben. Nun das Vorderteil des Verschlusses aufsetzen und mit der großen flachen Ringmutter mit den Buchten anschrauben. Dann die Vorderlinse einschrauben. Hierzu bis zum Anschlag des Gewindes eindrehen und wieder soweit zurückdrehen, was wir uns vorher als Unendlich-Einstellung gemerkt haben. Mit einer Mattscheibe überprüfen, ob das Objektiv wirklich auf Unendlich eingestellt ist und evtl. korrigieren. Hierzu die Blende öffnen und den Verschluss mit „B“ offen halten. Ein weit entferntes Objekt anvisieren, das sich auf der Mattscheibe scharf abbilden muss. Nun nur noch die Abdeckung der Vorderlinse (bei der Unendlich-Einstellung!) aufsetzen und mit den Madenschrauben befestigen.
Schlussbemerkung
Sie sollten auch für die ersten Versuche auf jeden Fall Schrotties verwenden, bei denen es nicht schlimm ist, wenn die anfänglichen Reparaturversuche nicht von Erfolg gekrönt sind. Empfehlenswert ist, auch einmal eine Kamera zu öffnen, die nur äußerlich gelitten hat, um die technischen Funktionen und Zusammenhänge zu studieren. Für irgendwelche Schäden, die bei Ihren Reparaturversuchen entstehen sollten, kann ich natürlich keine Haftung übernehmen. Ich denke aber, bei vorsichtigem Herangehen können Sie in Ihrem Spezialgebiet doch bald die eine oder andere Kamera selbst reparieren. Bei sehr wertvollen Stücken oder schwierigen Problemen sollten Sie, wie auch ich, die Reparatur einem Fachmann überlassen, der sein Handwerk gelernt und evtl. auch noch Ersatzteile hat. Ich wünsche Ihnen nun viel Spaß und viel Erfolg als „angehender Kameramechaniker“!
© Martin Kohler, Friedrichshafen, 2003